VOLIÈRE, SPRINGER UND SCHIFFE
VOLIÈRE, SPRINGER UND SCHIFFE
von Leander Kaiser
Stimmung in einem Kunstwerk, jene Schicht der Begegnung, in der das Gefühl am meisten angesprochen wird, scheint heute wieder zum Bedürfnis zu werden. Stimmung kommt vor aller Wahrnehmung der Einzelheiten. Es ist eine Empfindung des Anwesendseins, des Eingetauchtseins in die Atmosphäre eines Ortes. Das Atmosphärische ist kein Gegenüber, es ist etwas, das uns umgibt. Die Atmosphäre eines Ortes kann uns zur Flucht veranlassen oder zum Bleiben verführen, also bezaubern. Viele Besucher des Raums mit Springern und Schiffen in der Galerie Peithner-Lichtenfels Wien haben letztere Erfahrung gemacht. Sie verweilten, ließen die Schiffe aus den Wänden fahren, die Springer um sich herum schweben in diesem Aquarium ohne Wasser (oder besser: in dem die Luft Wasser und Wasser Luft ist). Die Installation breitet sich nicht bloß im Raum aus, sondern transformiert ihn. Sie verstellt ihn nicht, sondern macht ihn zum Mitspieler, der nun auch einiges zu erzählen hat und das Interesse des Besuchers erregt.
Das sehr beschäftigte doch ziellose Tun der kleinen Figuren der Volière hat etwas Absurdes, ja Lächerliches. Der komische Vogel Mensch hat bekanntlich von Aristophanes bis Paul Flora eine lange Tradition. Anne Strobl hat die Vögel wieder in Menschen verwandelt und lässt sie durchaus heiter mit verschiedenen Instrumenten werken. Man könnte eine leise Kritik sportiver Selbstbetätigung herauslesen. Aber die Künstlerin spricht kein Urteil aus; die Dinge bleiben in der Schwebe, das haben beide Installationen gemein. Die Frage ist, welche Art von Realität hier dargestellt wird. Ist das Geschehen diesseitig, jenseitig, ein Traum, ein Sinnbild oder Gleichnis? Dass diese Frage nicht klar beantwortet werden kann, ist vielleicht ein Symptom des heutigen Weltzustands, ein Gefühl der Irrealität des Bestehenden – als hätte die Welt den Boden unter den Füßen verloren: wie die Figuren Anne Strobls. Darin zeigt sich ihre große künstlerische Sensibilität. |