KUNST AM BAU
"FIGURENGRUPPE SCHLOSS KAPS" > Kitzbühel
Text von Leander Kaiser
Die Figurengruppe von Anne und Roman Strobl wurde geschaffen für den Park von Schloss Kaps in Kitzbühel. Das Schloss geht zurück auf das 13. Jahrhundert. 1880 ließ Graf Karl Lamberg den Park neu gestalten und – schräg gegenüber dem Eingangsor der "Kapsburg" – einen Weiher aufstauen, der heute auch als Badeteich dient. Davor wurde in jüngster Zeit ein niederes Gemäuer mit sechs Mauerpfeilern errichtet, die dazu einluden, sie mit Skulpturen zu besetzen. Eine siebte Figur, die den Reigen durch ihren Zuruf eröffnet, konnte daneben – auf dem Dach eines ebenerdigen Wirtschaftsgebäudes sitzend – Platz finden. Bei der Gestaltung der Figurengruppe ließ der Auftraggeber, Graf Maximilian Lamberg, den Künstlern freie Hand. Was zunächst vielleicht nur als Blickabschirmung des Badebereichs gedacht war, ist nun selbst zu einem Ort mit großer visueller Anziehungskraft geworden. Und zu einem Ort der Heiterkeit. Lachen angesichts von Kunstwerken gilt ja als verpönte Kindersünde oder ist bösartiger Ausdruck abschätziger Kennerschaft. Hier ist das Lachen – freudig, verwundert, etwas bezaubert – angemessen. Wie wenn man einen unbekannten Raum betretend hineingezogen würde in eine etwas fremdartige doch sympathische Gesellschaft. Der Betrachter weiß nicht, was gespielt wird, aber durch die Posen heiteren Ernstes entwaffnet, freut er sich, zum Verweilen geladen zu sein.
Dieses Zusammenspiel – die Folge von Gesten – wird einmal durch die Aufnahme und Weitergabe einer verbalen Botschaft motiviert, zum anderen durch das Hinweisen und Hinschauen auf das Kunststück, das die Eckfigur mit der Balance des steinernen Reifens auf ihrem Kopf vollführt. Den Reifen hat jede Figur irgendwo an sich; er schwindet, je mehr haltungsmäßig das hinhören dominiert, in die Beiläufigkeit. Die geglückte Verquickung dieser beiden Motive macht die Raffinesse der Figuren aus.
Das Spiel der Gesten und die Torsion der Figuren überbrücken die unterschiedlichen Abstände zwischen den Sockeln und runden das scharfe Mauereck beim vierten Pfeiler – Bedingungen, die, nicht gemeistert,leicht zum Zerfall des Ensembles führen hätten können. Ähnlich wie ein Gesicht, selbst wenn es nicht ganz nahe ist, unser Wahrnehmungsfeld fast ganz ausfüllen kann, verkürzt der Bezug der Gesten für uns die räumlichen Abstände; das heißt, sie bleiben nicht leer, sondern werden von Bewegung und menschlicher Bedeutung erfüllt und zusammengezogen.
Im Gegensatz zu dem Kult des leeren Raumes, den moderne Plastik oft um sich verlangt, wird hier eher barocke Fülle des Raumes angestrebt. Die Erinnerung an die Statuen, die seit der Hochrenaissance die Fassaden der Kirchen und Paläste mit dem Himmel verbanden und natürlich auch an die barocke Gartenplastik, stellt sich ein. Doch gibt es hier keine Wucherung des Fleisches und der Draperie, keine hierarchische, religiöse oder mythologische Bestimmtheit. Die Fülle verdichtet sich nicht zu einer barocken Inszenierung von Macht und Pracht; das Ensemble bleibt demokratisch geöffnet für die Figur des hinzutretenden Betrachters.
So selbstverständlich, heiter und gelassen die Figruengruppe den Ort bestimmt, als wäre sie immer schon dagewesen, haftet ihr doch zugleich das Moment des gerade erst Entstandenen an: Spielend scheinen die Gestalten auf ihren Podesten dem Sandstein erst zu entwachsen und feste Form anzunehmen; Hände, Füße und Gesichter sind noch undifferent, erst in Ausformung begriffen. Dem entspricht die rauhe, nicht geglättete und polierte Oberfläche (so erinnert der Stein noch an den Klumpen Lehm, aus dem Prometheus als erster Demiurg die Menschen gemacht hat). Anne und Roman Strobl haben mit ihren Skulpturen in Schloss Kaps etwas zustandegebracht, das gleichzeitig alt und modern, mit dem Genius des Ortes verbunden und doch überraschend, Raumgestaltung und Erfüllung des Raumes mit dem Fluidum ernsthafter Heiterkeit ist.
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